Drei-Kronen-Hof droht Baustopp

TUTTLINGEN – An der Großbaustelle-le Drei-Kronen-Hof der Wohnbau im Herzen Tuttlingens herrscht Hoch-betrieb: Die Tiefbauer sind am Werk, für die vielen Lastwagen der Hand-werksbetriebe sind Fahrstreifen rund um das Areal abgesperrt worden. Doch mit dem regen Treiben könnte auch wieder schnell Schluss sein: Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck hat in öffentlicher Sitzung angesprochen, dass es sein könnte, „dass die Wohnbau größere Projekte unterbrechen oder einstellen muss“. Stichwort: explodierende Baupreise.

Laut Wohnbau-Chef Horst Riess wird sich in den kommenden Wochen entscheiden, wie es beim Drei-Kronen-Hof weitergeht. Annähernd 80 Prozent der noch anstehenden Arbeiten sind ausgeschrieben wor-den. Die Firmen prüfen nun die Leistungsverzeichnisse. Riess: „Erst dann, wenn mir die Preise vorliegen, kann ich sagen: Wir können bauen oder wir müssen die Baustelle still-legen.“ Die Gefahr sei da, gibt er dem OB Recht: „Aber alles andere ist zur Zeit Kaffeesatzleserei.“

70 Wohneinheiten, rund 3000 Quadratmeter Gewerbefläche, 110 Tiefgaragenstellplätze: Das sind die Eckdaten des – bereits bei Baubeginn – auf mehr als 30 Millionen Euro kalkulierten Projekts, das von der Stockacher Straße einen neuen, attraktiven Eingang in die Tuttlinger Innen-stadt bieten soll. Doch schon vor dem ersten Spatenstich im vergangenen Jahr stiegen die Preise auf dem Bau erneut an – siehe Lieferengpässe durch Corona (nach wie vor) und nun die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Riess: „Ich habe zwei Tage lang nichts anderes gemacht, als Stahlpreise verhandelt. Da wissen Sie, was es geschlagen hat.“ Die Ton-ne Stahl lag bei Baubeginn bei 800 Euro netto, jetzt seien es zwischen 1500 und 1600 Euro netto. „Wenn das bei allen Gewerken so wäre, dann bekommen Sie den Quadratmeter Wohnfläche nicht mehr für 4000, sondern für 8000 Euro“, meint der Wohnbau-Chef. Und weiter: „Da haben Sie bislang ein Penthouse in Konstanz gekauft.“

Deshalb diskutieren die Planer auch über eine veränderte Bauaus-führung. Welche Materialien kann man gegebenenfalls durch günstige-re ersetzen? 100 Tonnen Stahl weniger wären eine Einsparung von 150 000 Euro. Zu bedenken sei dabei, dass die Tragwerksplaner dreifache Erdbebensicherheit, Rissevermeidung und Grundwasserschutz ein-kalkulieren müssen. „Diese Sicherheiten verlangen Stahl.“ So gebe es viele Themen am Bau, sagt Riess, und spricht Schallschutzklassen an, die sich auf die Beschaffenheit der Fenster auswirken.

Auf dem Bau wird alles teurer –das bekommt auch die Stadt zu spüren. Etwa beim Großprojekt „Sanierung der Gymnasien“. Vor einigen Monaten hat der Gemeinderat eine Ausschreibung für Holzarbeiten an der Fassade des IKG-Flügels aufgehoben, weil das einzig eingegangene Angebot bei 1,4 Millionen Euro lag –rund 1,1 Millionen Euro (!) über der Kalkulation, die die Stadt vor Projektbeginn vor einigen Jahren aufgestellt hatte. Der Auftrag an die Stadt-verwaltung nach der Aufhebung lau-tete angesichts des gewaltigen Preissprungs: Nachverhandeln, ob’s nicht billiger geht. Aktuell liegt das Ange-bot bei 1,2 Millionen Euro. Und dies-mal hat der Gemeinderat die Arbeiten vergeben. Alle anderen potenziellen Bieter auf dem Markt haben kein Interesse gezeigt hatten. Eine ähnliche Preisentwicklung musste die Stadt bei „Tischlerarbeiten / Innentüren“ feststellen. Lag das kalkulierte Budget noch bei 99 000 Euro, so lautete das beste Angebot in der Ausschreibung nun bei 181 000 Euro – eine Kostenüberschreitung von et-wa 83 Prozent.

Die bereits begonnenen Wohn-projekte der Wohnbau werden laut Riess fertiggestellt. Das Mehrfamilienhaus in der Katharinenstraße (28 Eigentumswohnungen plus Tiefgarage) sei bereits so gut wie fertig, die beiden großen Häuser in der Boden-seestraße laufen auch. Dort gab es Probleme, an Parkettböden herzu-kommen – Eichenparkettböden wer-den zum größten Teil in der Ukraine gefertigt. Bei einem anderen Projekt in der Honbergstraße – die Wohnbau baut dort ihr „Wohnbauforum“ –wurde wochenlang auf die Fenster gewartet, weil es keine Rahmen gibt, da Aluminium knapp ist. Und als ob es auf dem Bau derzeit nicht genug haken würde, machen auch Diebe Probleme. „Geklaut wurde auf Bau-stellen schon immer“, sagt Horst Riess. „Wenn du nicht aufpasst, hast du gleich ein paar Paletten Ziegel weniger.“ Doch auch für ihn war neu, dass bereits eingebaute Steckdosen aus den Wänden geklaut wurden, wie in der Katharinenstraße. „Das sind schon grausame Zeiten“, meint der Wohnbau-Geschäftsführer dazu. Und er fragt. „Muss ich jetzt auch noch Security auf die Baustellen schicken?“ Mit Sicherheit keinen Spatenstich in diesem Jahr wird es für die 25 Einfamilienhäuser in Unter Jennung der Wohnbau geben. Allenfalls den Beginn der Erdarbeiten kann sich Riess vorstellen. Wie sieht die weitere Planung aus? Dazu sagt er: „Ich will die Häuser, das ist ein super Konzept. Aber es muss ja be-zahlt werden können.“ Momentan sehe es zumindest so aus, als würden sich die Holzpreise wieder in die „richtige Richtung“ begeben.

Er geht davon aus, dass die Ange-bote für die Gewerke im Drei-Kronen-Hof von den Handwerkern nur mit einer Preisgleitklausel abgegeben werden. Damit behalten sich die Anbieter das Recht vor, bei Erhöhung ihrer Kosten, wie Material, den Preis anzupassen. Sollten die Preise „wider Erwarten normal ausfallen, dann ist es nicht die Absicht, auf schlechtere Zeiten zu warten“. In den kommenden Wochen entscheidet sich, ob und wie es weiter geht.

Quelle: www.schwaebische.de, Artikel vom 04.05.2022